Arbeiten für den Chef vom Typ "Ausbeuter"

Yea,
da dachte ich doch allen Ernstes ich könnte meine Woche Rest-Urlaub vom Vorjahr noch dazu nutzen meinen Umzug durchzuziehen, bekomm ich gerade von 'ner halben Stunde 'n Anruf vom Teamleiter: “Jo, Urlaub gestrichen, beweg dich mal zur Spätschicht rüber!”. Noch im Halbschlaf und mit 25 auch ziemlich unerfahren was dieses Thema angeht erstmal pflichtbewusst “Jawohl” verlauten lassen - und nach dem Duschen dann mal schnell Google gefragt.

Hmm, also rein rechtlich und laut Arbeitsvertrag darf mein Arbeitgeber schon davon gebrauch machen eine bereits bewilligte Urlaubsgenehmigung zurückzuziehen, jedoch laut unterschiedlichen Quellen nur aus einem wichtigen Grund. Dieser “wichtige Grund” ist wohl auch recht klar definiert, nämlich als ein Umstand der für den Arbeitgeber als unzumutbar gilt (wobei DAS dann wieder nicht weiter ausgeführt wird) oder durch meine (genehmigte) Abwesenheit finanzieller Schaden entsteht der in Richtung Existenzgefährdung geht. Ein Storno des Urlaubs oder gar der Rückruf aus einem bereits angetretenem Urlaub ist zwar wohl grundsätzlich zulässig, jedoch nicht aus organisatorischen Engpässen die bei der Genehmigung des Urlaubs entweder noch nicht bekannt waren oder nicht berücksichtigt wurden. Und die Gründe die meinen Arbeitgeber zu soetwas berechtigen würden liegen aktuell nicht vor. Sicher, es entstehen Kosten, aber aus einem Grund der sich meiner Gewallt entzieht, für die ich also auch nicht direkt zur Verantwortung gezogen werden kann.
Nun kommt noch hinzu dass zu meiner eigentlichen 40h Woche eine reguläre Überplanung von wöchentlich 2h hinzukommt, ich also laut Plan sowohl Montag als auch Mittwoch statt 8h regulär 9h geplant werde. Zusätzlich gibt es alle 2 bis 3 Wochen eine 6h Schicht am Samstag. Im Monat komme ich so im Schnitt vom SOLL 160h auf geplante 180h. Auch wenn ich davon am Monatsende bei der Stundenabrechnung meist irgendwie recht wenig merke.
Weiter kommt noch drauf dass es sich aktuell um meinen Rest-Urlaub von 2015 handelt, der laut Arbeitsvertrag bis Ende Februar zu nutzen ist oder sonst verfällt. Hmm, mit einer Abfindung von 50% wäre ich ja noch zufrieden, aber kompletter Wegfall weil die Urlaubsplanung schon erst ziemlich knapp genehmigt und nun auch noch storniert wird?

Wie weit darf hier mein Arbeitgeber gehen? Gibt es Ausnahmen wo es zum guten Ton gehört einfach zu sagen “Ja Chef, ich komme ja, aber sprech mich dann bloß nicht an!”, oder gibt es auch für meinen Arbeitgeber Grenzen an die er sich halten muss gerade unter dem Umstand betrachtet das er für diesen organisatorischen Patzer verantwortlich ist?

Klar, ich möchte meine Kollegen auch nicht hängen lassen, und wenn mal eine wegen Krankheit ausfällt kann ich ihm dies ja nicht mal zum Vorwurf machen, aber wirklich schön nach einer durchgezogenen Nacht und erst gegen 06:00 ins Bett dann plötzlich 2 1/2 Stunden später vom Teamleiter wieder wachgeklingelt zu werden.

Das wird heute echt ein super Tag … NOT ! ~total übermüdet und so …

edit

Wie sieht es in so einem Fall eigentlich mit Versicherungsschutz auf dem Arbeitsweg und auf Arbeit selbst aus? Bin ich ganz normal abgesichert oder darf ich, wenn was passiert, das dann auch noch aus meiner eigenen Tasche zahlen?

Die bessere Frage ist, wie weit wird er gehen? Natürlich gibt es Grenzen und die sind hier sehr wahrscheinlich überschritten worden.

Ganz abgesehen, dass es nicht normal ist Überstunden regular einzuplanen.

Ich würde mir 'ne neue Firma suchen.

Das hört sich sehr nach Ausbeuterbetrieb an.

IANAL, deshalb will ich das auch gar nicht rechtlich bewerten, aber wenn ich dir einen in siebzehn Jahren Berufserfahrung gereiften Rat geben darf: MACH!!! DICH!!! DA!!! SCHLEUNIGST!!! VOM!!! ACKER!!!. Wenn du um ganz normale Sachen betteln musst, wenn auf deine Wünsche kein Rücksicht genommen wird, wenn man einfach nur kommentarlos “Einsatz” verlangt, wirst du dort schlicht ausgebeutet. In so einer Bude kannst du dich nicht entfalten und weiterentwickeln. Wenn du dort eine Heldentat vollbringst, ist es, wie wenn du in einem dunkelblauen Anzug pinkelst: Niemand bemerkt es, aber gibt ein unheimlich warmes Gefühl. Also: Nur noch Dienst nach Vorschrift und intensive Suche nach was besserem.

“Kollegen nicht hängen lassen” ist übrigens auch kein Argument, wenn der Chef selbst für den Engpass sorgt. Tragisch, aber nicht dein Problem - lass dich nicht ausnutzen. Nebenbei ist mit den Füßen abzustimmen (und andere über Kununu oder so vor solchen Läden zu warnen) der effektivste Weg, die Verhältnisse in der Branche zu verbessern. Wenn die Firmenkultur so total versaut ist wie beschrieben, kannst du “von innen” nichts ändern.

Ich würde den Chef direkt auf diese Situation ansprechen. Wenn er Dein Problem nicht versteht, nach einer neuen Firma umsehen. In den meisten Bundesländern gibt es Jobs wie Sand am Meer.

*** Edit ***
@Landei : Ich vertrete die Ansicht, dass man zumindest versuchen sollte, seinen Betrieb mit in positive Bahnen zu lenken. Ein Gespräch mit der zuständigen Person sollte kein Problem darstellen. Eventuell bewirkt man dann für seine eigene Firma etwas Gutes?!

Da hast du natürlich recht.

Aber wenn es darum geht, den Betrieb auf einen Zustand der gerade einmal Mindeststandards entspricht, ist es besser die Arbeit in ein Unternehmen zu investieren, welches dann auch Benefits abwirft und nicht nur aufhört dich auszubeuten.

ABER - das kann ja jeder selbst entscheiden.

//youtu.be/dBkkuMcz3BM

Würde dir auch empfehlen dir eine andere Firma zu suchen, in der Zwischenzeit kannst du dich ja mal mit dem Betriebsrat zusammensetzen und die Situation schildern.

Ja, “such’ dir einen anderen Job” - leicht gesagt. “Arbeit haben” ist heutzutage so sehr mit “eine Existenzberechtigung haben” gleichgesetzt, dass sich der Arbeitgeber* praktisch alles erlauben kann. Bist du etwa nicht fleißig? Bist du etwa nicht engagiert? Willst du deine Kollegen hängenlassen, oder die Existenz der Firma aufs Spiel setzen? Dann schreib’ das doch einfach in deine nächste Bewerbung, dann kannst du sicher sein, dass du dieses Problem nieeee mehr haben wirst.


  • Die Begriffe “Arbeitgeber” und “Arbeitnehmer” sind vertauscht. Was der “Arbeitgeber” gibt, ist nicht die Arbeit, sondern das Geld - das er dafür gibt, dass der “Arbeitnehmer” eben Arbeit gibt (/leistet).

Soweit die Firma nicht droht den Bach runterzugehen, darf Urlaub nicht gestrichen werden.
Wenn du nicht weißt, warum gerade ausgerechnet DU zu diesem Zeitpunkt gebraucht werden sollst, dann frag besser nach. In den seltensten Fällen ist man doch absolut unentbehrlich und die eigene Abwesenheit bedeutet gleich den Untergang des Imperiums. :slight_smile:

Aber so am Rande: Ich glaube nicht, dass du auf lange Sicht dort wirklich zufrieden sein wirst. Ich würde dir raten, deine Qualitäten auszuloten und sie anderen Unternehmen anzubieten.

Hat da jemand Marx gelesen :wink:

Stockholm Syndrom hin oder her, wenn er noch bei der Firma ist bei der ich glaube dass er ist: Nix wie weg da!

ITler haben es heute leichter als 99% aller anderen „Berufsgruppen“ wenn es darum geht einen neuen Arbeitgeber zu bekommen, das muss man nutzen, klar sind die nicht alle gut, aber das ist kein Grund bei einem „nicht so guten“ zu bleiben.

An deiner Stelle würde ich die Frage mal dort stellen

arbeitsrecht.de Forum - Das Forum zum Arbeitsrecht und Sozialrecht - Powered by vBulletin

Dieses Forum hat den richtigen Schwerpunkt und die Leute dort befassen sich damit tagtäglich sind Betriebsräte, Gewerkschafter und teils Anwälte und wissen welche Fragen man stellen muss um das richtig lösen zu können.

Danke für die große Teilnahme. Eigentlich war es nur mal wieder einer dieser Frust-Threads die auch eigentlich schnell im off-top verschwinden sollten.
Leider hat sich bei meiner doch etwas ausführlicheren Antwort meine Session zerschossen.
Um daher vielleicht nur kurz zwei Punkte anzusprechen:

Betriebsrat - gibts nicht. Es wird bewusst eine Lücke im Gesetzt ausgenutzt die einen Betriebsrat erst ab einer bestimmten Mindestbelegschaft vorschreibt. Durch geschickte Ausgliederung und Holding wird dies umgangen. An unserem Standort gibt es alleine 4 eigene GmbH’s die letztlich alle zur selben großen Unternehmensgruppe und damit doch alle irgendwie zusammengehören - aber auf die einzelnen Abeteilungen aufgeteilt wird diese Mindestmarke nicht erreicht. Wenn man was will muss man es entweder als Gruppe direkt an den jeweiligen Projektleiter herantragen oder sich mit abfinden.

Einsatzbereitschaft - grundsätzlich ist mir durchaus bewusst dass ich nur dass nach meinem Arbeitsvertrag leisten muss - und der Rest auf allgemeiner Freiwilligkeit beruht. Wenn allerdings für den Einsatz nur Spott von den Kollegen - “Hast du nicht eigentlich Urlaub?” - und vom Teamleiter zu dessen Feierabend nur ein halbherzig dahingezogenes “Du bist der Beste!” kommt - tja - dann fragt man sich vermutlich zu recht: “Dein Umzug war aber nicht von deinen vier Wänden hier her geplant, oder?”

Alles in allem - ich bin grundsätzlich erstmal froh überhaupt einen Job zu haben - auch wenn es für Mindestlohn deutlich angenehmere Beschäftigungen oder umgekehrt für das was ich leiste bessere Bezahlungen gibt - aber daran was zu ändern passt mir auf Grund des anstehenden Umzugs und des im Sommer geplanten Urlaubs (na da bin ich ja mal noch drauf gespannt) leider aktuell so gar nicht.

Das sind halt typisch wir deutschen … ^^ Wir wollen uns in Sicherheit wiegen. Jetzt passt es wegem dem umzug nicht, danach passt es wegen weihnachten nicht, danach musst du dir ein auto kaufen …
Du musst immer dran denken die meisten menschen sind arschlöcher … und würde ein Kollege für dich den kopf hinhalten ? sprich aus dem uralub kommen damit du weniger stress hast. Ich höre aus so vielen betrieben in meinem bekanntenkreis, das nicht nur die chefs hinterfotzig sind, sondern auch die mitarbeiter bei jeder gelegenheit jemand anschwärzen … jeder kämpft um seine eigene haut. Deswegen würde auch ich dir empfehlen dich schonmal umzusehen, auch wenns schwer ist. Aber allein um zu schauen was ist noch möglich :wink:

Das ist … mit Verlaub … dumm.

Sehr guter Rat.

Man hat auch eine andere Verhandlungsposition wenn man dem Chef die Angebote auf den Tisch legt die man selbst hat.

Die Arbeitnehmer müssen aus der „ich bekomme keinen anderen Job“-Mentalität raus. Zumal in absehbarer Zeit die Babyboomer aus Deutschland in Rente gehen und damit eine Menge Arbeitsplätze frei werden.

Ein Kunde hat einen neuen Programmierer eingestellt, mit der Absprache das dieser dann auf Teilzeit geht, wenn das dritte Kind da ist. Als das Kind da war, hieß es „nee, keine Teilzeit“. Antwort: „dann suche ich mir einen anderen Job“. Nun arbeitet er Teilzeit :smiley:

Kommt auf den Chef an. Ich denke der wird sagen, gut ich finde einen anderen. Abgänger von Uni’s gibt es erstmal genug. Aber ob eine hohe Fluktuation für eine Firma gut ist, anstatt das Know-How zu behalten… :rolleyes: Geschäftspolitik

*** Edit ***

wenn du schläfts, dann schläfst du. Wenns wichtig ist, wird nochmal angerufen. AFAIK hast Du 11h gesetzliche Ruhepause.

Als was bist du angestellt? Ich tippe mal als Programmier. Dann hast du ganz schnell was neues. War mit meinem letzten Arbeitgeber auch unzufrieden (unter anderem auch, weil er mich wegen Belanglosigkeit aus dem Urlaub zurück geholt hatte). Danach hab ich ein Xing-Profil angelegt, die Woche drauf kamen 3 Headhunter, ein paar Wochen später kamen die Angebote und heute arbeite ich für besseres Geld und viel weniger Stress für einen neuen Arbeitgeber.

P.S.: war damals 24 als mich die Headhunter angesprochen hatten. Also du hast möglicherweise einen viel höheren Marktwert als du dir gerade zutraust.

Im Falle von Programmierern ist das ja auch faktisch falsch. Mein Bruder ist gelernter Gärtner. Da sieht die ganze Sache anders aus. Aber so lange man SW-Entwickler ist, sollte man den Luxus auch ausnutzen sich die Stelle aussuchen zu können.

Zusätzlich noch ein LinkedIn profile um die Chancen zu erhöhen

Über Stackexchange Careers habe ich auch Angebote bekommen (wenige, aber meist interessante, u.a. Google).