Es gibt da eine Kontroverse, im Zusammenhang mit dem (schon mehrfach an anderer Stelle verlinkten) Gender-equality paradox - Wikipedia . Die polemisch-vereinfachende Ansicht ist halt die, dass ein 8jähriges Mädchen in Bangladesch „weiß“, dass sie einen dieser ~„Männerberufe“ anstreben muss, wenn sie nicht damit enden will, in 12-Stunden-Schichten für einen Hungerlohn Turnschuhe zu nähen, während sich das 8jährige Mädchen in Schwden frei entfalten und ihre „echten“ Interessen verfolgen kann, und weiß, dass ihr alle Möglichkeiten offen stehen, und sie auch als Kosmetikerin oder Erzieherin einen vernünftigen Lebensunterhalt verdienen kann.
Weniger polemisch gesagt gibt es dort viele Facetten, die es zu berücksichtigen gilt. Und dass immer wieder irgendwelche Schlauköpfe irgendeinen Aspekt rauspicken (wie jetzt dieses absurd-händewedelnde „Nerd-Klischee“), mit dem Finger darauf zeigen und sagen: „Da! Da! Dadran liegt’s!!!11“ ist gerade einer der Punkte, die mich nerven.
Zum zweiten Punkt, dem Rationalisieren: Soweit ich weiß ist - wenn man versucht, das zu quantifizieren - einer der größten Persönlichkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen, die einermaßen verläßlich erfasst werden können, der, dass Männer stärker an „Dingen“ und Frauen stärker an „Menschen“ interessiert sind. Kulturübergreifend. Altersunabhängig.
Welche Auswirkungen für den Verlauf eines Lebens hat (oder eben aller Leben, wenn man zu irgendeinem Zeitpunkt einen Schnappschuss eines Querschnitts der Gesellschaft macht) ist schwer zu erfassen. „Tendenziell gerne mit Puppen spielen“ ist vielleicht eine frühe, sehr spezielle Ausprägung davon. Allerdings kann ich mich nicht erinnern, je gehört zu haben, dass jemand ernsthaft versucht hat, geschlechtsspezifischen Unterschiede in Berufen damit zu begründen. (Ich könnte jetzt von Korrelation und Kausalität reden, oder davon, ob es Überschneidungen zwischen den Ursachen für beide Beobachtungen gibt, aber das wäre kompliziert).
Ich habe bisher nur gehört, dass Leute direkt auf der Meta-Ebene eingestiegen sind, und auf diese (~„nie ernsthaft gemachte“) Aussage „reagiert“ haben, und gesagt haben: „Die Unterschiede werden damit begründet, dass Mädchen angeblich nur mit Barbie spielen wollen“. Vielleicht gibt es Leute, die das machen. Aber die würden sich damit aus meiner Sicht für einen ausdifferenzierten Diskurs ähnlich schnell disqualifizieren, wie diejenigen, die behaupten, dass das ~„immer behauptet“ wird (und vielleicht auch bewußt von den (zu Recht „stigmatisierten“) „Barbies“ reden, um die Kredibilität anderer zu untergraben).
(Nebenbei: Soweit ich weiß zeigen sich die unterschiedlichen Interessenslagen dann auch noch immerhalb eines Fachgebiets. Grob gesagt: Unter den Informatikern beschäftigen sich Frauen AFAIK tendenziell eher mit sowas wie Frontend/UserExperience (eben „dem Menschen zugewandte Dinge“), während Männer eher Datenbankadministration oder anderen Backend-Kram machen).
Der erste Teil, „das es hier in D einfach nicht gefoerdert wird“ ist schon irritierend absurd. Tatsächlich war das einer der Punkte, wegen der ich mir diese Studie mal angesehen hatte. Und in Abschnitt 4 ist recht ausführlich aufgelistet, wie viele Organistationen, Stiftungen, Aktionen, Zusammenschlüsse und viele Millionen Euro schweren Förderprogramme es schon gibt.
Die Fragen, die ich dazu dann stellen würde, sind einerseits vordergründig offensichtlich und nahe liegend. Andererseits habe ich bisher praktisch nie beobachtet, dass jemand ernsthaft versucht hat, sie zu beantworten, wodurch sie jedes mal, wenn ich sie stelle, „brennender“ werden (und die Nicht-Beantwortung der Fragen jedes mal weitere Fragen aufwirft) :
- Warum will man den Anteil von Frauen in MINT erhöhen?
- (Und die Folgefragen für diejenigen, die verrückterweise meinen, da was von „Gerechtigkeit“ oder „Gleichberechtigung“ faseln zu müssen: 1a: Warum will man nicht den Anteil von Frauen bei Dachdeckern oder Kanalreinigern erhöhen? Und 1b: Warum will man nicht den Anteil von Männern unter Floristen oder Kosmetikern erhöhen?)
- (Angenommen man könnte Frage 1. sinnvoll beantworten:) Sind die ergriffenen Maßnahmen wirksam und angemessen?
Die erste Frage wird in der Studie nur andeutungsweise angegangen:
Die Personen, welche in MINT-Bereichen tätig sind, sind nicht nur Treiber, sondern gleichzeitig auch maßgebliche Gestalter der Digitalisierung.
…
Frauen laufen somit Gefahr, sowohl von steigenden Beschäftigungschancen als auch als Gestalterinnen der Digitalisierung weniger partizipieren zu können
(Formatierungsfehler (gelegentlich „gendering“ genannt) aus dem ersten Satz entfernt)
Wenn es um die „Gestaltung der Welt“ geht, in der wir leben, sollten wir vielleicht mal zusehen, dass der Anteil der Männer beim Studiengang Innenarchitektur auf mehr als 15% steigt. Aber wie auch immer, man kann darüber streiten, ob das ein sinnvolles Argument ist.
Zum zweiten Punkt finde ich diese beiden in der Studie (kurz nacheinander) gemachten Aussagen interessant:
Einzelne Maßnahmen bezüglich ihrer Wirksamkeit zu beurteilen erweist sich als sehr schwierig
und wenig zielführend.
…
Wie gezeigt werden konnte, besteht zweifelsohne weiterer Handlungsbedarf, um der
Unterrepräsentation von Frauen in MINT-Fächern und -Berufen, speziell IKT, zu begegnen.
Was da gesagt wird, klingt stark nach „Wir wissen zwar nicht, ob das, was wir tun was bringt, aber…“ (böswillig formuliert: ) „… lasst uns einfach mal auf gut Glück mehr Geld auf das Problem den Sachverhalt werfen, vielleicht verbessert verändert sich dann etwas“.
Nun, vielleicht schimmert an der einen oder anderen Stelle schon subtil durch: Ich bin etwas skeptisch, ob da nicht vielleicht ein bißchen Aktionismus dabei ist…