Die Abgrenzung zwischen persönlichen und „absoluten“ Ansichten finde ich auch wichtig (ich hätte da eher von „subjektiv“ und „objektiv“ geredet, aber der Grundgedanke ist wohl ähnlich).
Einige Schwierigkeiten ergeben sich ggf. daraus, wenn der Versuch, eine Aussage zu relativieren (also jedes Betonen der Subjektivität) in einen Vorwurf umgewandelt wird. Das ist verbunden mit den unterschiedlichen Wahrnehmungen von dem, was „subjektiv“ oder „objektiv“ (oder „absolut“) eigentlich ist, und das wiederum damit, wie „anders“ die Sichtweise, Wertesysteme, oder der Informationsstand des anderen ist. Es gibt Dinge, die jemand als „absolute, objektive, ununmstößliche, unkontroverse Wahrheit“ ansieht, und man muss für eine Debatte eben akzeptieren, dass jemand das anders sieht. Und wenn ich sage, dass „jemand das anders sieht“, kann das unterschiedliche Ebenen haben:
- derjenige kann das einfach nicht für eine absolute Wahrheit halten
- jemand kann glauben, dass die Bewertung nicht objektiv ist
- jemand kann etwas anderes (z.B. das Gegenteil) dieser vermeintlichen Wahrheit glauben
- …
(Und diese Unterscheidung und Abstufung finde ich wichtig, aber sie scheint vielen nicht klar zu sein. Viel zu oft beobachtet man das Muster: „Du musst das genau so sehen, wie ich, sonst bist du ein schlechter Mensch“)
In diesem Sinne bin ich Fan der Sokratischen Methode:
Als charakteristische Elemente der Methode gelten die Suche nach einer Definition, die das Untersuchungsobjekt genau beschreibt und abgrenzt, und die gemeinsame Überprüfung der Tauglichkeit von Definitionsvorschlägen, Behauptungen und Konzepten, wobei es um die Aufdeckung allfälliger Unstimmigkeiten geht. In didaktischer Hinsicht ist das prägende Merkmal das Bestreben, einem Lernenden durch geeignete Fragen zu ermöglichen, seine Irrtümer selbst herauszufinden und so sein Erkenntnispotenzial zu aktivieren.
Das schließt ein, dass man bei einem Diskurs eine Gegenposition einnimmt. (Wenn alle am Stammtisch sitzen, und einer sagt „Jaja, Fußball ist nicht mehr das, was es mal war“, und dann alle zustimmen und sich auf die Schultern klopfen, ist das … ja, manchmal OK, aber … oft eher langweilig, und vor allem eben kein Diskurs…)
Diese Gegenposition kann man dabei in der Konversation mit einem anderen einnehmen. Und man kann (und sollte) auch - im Zuge der Debatte, entsprechend des oben zitierten Abschnitts - eine bestimmte Position kritisch hinterfragen (dürfen), unabhängig davon, welche Position man selbst einnimmt (!). Es geht dabei um eine intellektuelle Herausforderung. (Das kann man auch in einem inneren Dialog. Und … vielleicht täuscht mein Eindruck, aber ich glaube, zu viele tun das nicht. Ich meine, überhaupt nicht - in dem Sinne, dass diese Abwesenheit kritischer Fragen im inneren Dialog schon das Ausmaß einer ideologischen Besessenheit annimmt…).
Ich hadere mit dem allgemeinen Umgang damit. Das sind Themen, die relevant sind, und mit denen man durch Medien und Unterhaltungen konfrontiert ist. Und man sollte darüber reden können. Und ich finde, in geschriebener Form (d.h. wie etwa hier im Forum) ist das prinzipiell (!) viel sachlicher und geordneter möglich, als in anderen Konstellationen. Und … manchmal ist diese Online-Kommunikation eben die einzige Möglichkeit, die man überhaupt noch hat, um so eine Unterhaltung zu führen. Bei manchen Menschen aufgrund eines Mangels an sozialer Einbettung. Aber es erschiene mir z.B. auch nicht klug, solche kritischen Auseinandersetzungen mit tagesaktuellen Themen zu unterbinden, wenn diese „tagesaktuellen Themen“ z.B. gerade der Grund dafür sind, dass man wochenlang in seiner Wohnung eingesperrt ist, und einem jegliche Interaktion mit anderen Menschen verboten wird. (Ich bin sicher, dass das sehr unklug wäre).
Die Probleme, die damit verbunden sind, sind offensichtlich: Trolls, und Leute, die auf die Trolls so reagieren, wie die Trolls das wollen - oder eben Leute, die nicht mal einen Funken der Fähigkeiten haben, die für einen Sokratischen Diskurs notwendig sind.
Das stimmt leider. Ich glaube, viel von der technischen Kommunikation wurde verlagert, in GitHub-Issues und StackOverflow-Fragen. (Dass das viel zu oft „schlechte“ Fragen sind - d.h. Fragen, die vom Format her gar nicht für Stackoverflow geeignet sind, aber in einem Forum angemessen diskutiert werden könnten - ist vielleicht ein anderes Thema…)