Nun, das klingt alles vernünftig und sachlich. Aber ich sehe die Strömungen und Ideen, die hinter einigen Forderungen stehen, sehr kritisch. Natürlich wird das ganze immer mit etwas gerechtfertigt, was mit Zielen verbunden ist, denen sich kaum jemand entgegen stellen würde (meistens etwas, was grob mit „Gerechtigkeit“ und „Mitgefühl“ zu tun hat). Aber erstens glaube ich, dass das in vielen (oder sogar den meisten) Fällen nicht die wirklichen Ziele sind, die da dahinter stehen, und zweitens (wichtiger) werden immer mehr Prozesse und Strukturen etabliert, die beliebig weit verzerrt und ausgenutzt werden. Ich könnte nun noch etwas weiter verallgemeinern und abstrakter werden, und erklären, warum ich in dem, was da gemacht wird, eine Grundlage sehe, auf Basis derer sich totalitäre Systeme entwickeln, aber gehe mal auf ein, zwei Punkte ein:
Die Änderung ist „virtue signalling“, auf jeder denkbaren Ebene unsinnig, und bestenfalls „ideologisch motiviert“. Wenn ich eine grobe Schätzung abgeben sollte, welche Kosten damit verbunden sind, im rein volkswirtschaftlichen Sinne, und der Frage, wie viele Mannjahre Arbeit an allen Ecken und Enden über die ganze Welt verteilt aufgewendet werden müssen, dann würde ich mindestens von einem zwei- aber eher einem dreistelligen Millionenbetrag ausgehen. Die vordergründige Fragen, ob „sich das lohnt“ und ob „es das wert ist“, und ob im selben Geist nicht auch z.B. der „Master’s Degree“ umbenannt werden müßte könnte man endlos diskutieren.
Das größere Problem sehe ich darin: Wenn das ganze auf- und ernst genommen wird, dann können beliebige, auch noch so hirnrissige Forderungen durchgesetzt werden mit dem Verweis darauf, dass irgendjemand eine Verbindung zu etwas herstellt, was die Mehrheit nicht befürwortet (auch wenn sonst praktisch niemand diese Verbindung erkennt). Im ersten Moment mag das Beispiel polemisch wirken, aber es ist (leider) ernst gemeint: Es würde mich nicht überraschen, wenn morgen jemand fordern würde, das Wort „Blockchain“ zu verbannen, weil „Chain“ (Ketten) ja an die in Ketten gelegten Sklaven erinnert.
Nein. Wenn die „jungen Leute“ Forderungen stellen, die bewirken, dass Freiheiten in gefährlichem Maße eingeschränkt werden, dann sage ich: Nicht mit mir. Und das bezieht sich sowohl auf die Regulierung von Sprache, als auch auf whitewashing (sic) der Geschichte. In Anlehnung an einige Kommentare zu Kant weiter oben: Ja, einige Sachen, die er gesagt hat, würden heute von einigen als „rassistisch“ bezeichnet werden. Aber ihn deswegen, ohne Betrachtung des Kontexes diskreditieren zu wollen, halte ich für falsch.
Und genau dieser „Kontext“ macht es so schwierig: Der „Kontext“, den du meinst, ist oft/meistens verwandt zu „Kultur“. Und die aktuelle Auffassung, die einige zu vertreten scheinen, scheint die zu sein, dass „niemand jemals ‚offended‘ sein müssen darf“, unabhängig von der Kultur. Und es gibt nur eine Möglichkeit, wie man das erreichen kann. Es ist schwierig, diese „eine Möglichkeit“ klar zu bennenen. Aber sie hat zwangsläufig zu tun mit massivsten Einschränkungen der persönlichen Freiheit jedes einzelnen, und es birgt riesige Gefahren, wenn diesen Einschränkungen (d.h. dieser Unterdrückung) keine Grenze gesetzt wird.