Das war nur eine sarkastische Randbemerkung, die darauf abzielte, dass es Leute gibt, die die Aussage, dass „jemand nur seine Arbeit macht“ gelegentlich machen, als wäre das irgendeine Rechtfertigung für irgendwas.
Auch da gibt es wieder verschiedene Skalen. Ich müßte viel Zeit aufwenden, um das so zu artikulieren, dass ich mit der Formulierung „zufrieden“ wäre, aber ganz grob: Ich denke, dass man zwei Dimensionen berücksichtigen muss: 1. wie „schwer“ ist der „Rechtsverstoß“, und 2. wie „schlimm“ wären die Konsequenzen, wenn man „seine Arbeit verweigern“ würde.
Heute steht jemand am Eingang vom Supermarkt, und kriegt Geld dafür, dass er Leute anpöbelt, die sich keinen Einkaufswagen nehmen. Wenn er das nicht machen würde, könnten Menschen sich etwas „sinnvoller“ verhalten, aber er würde eben keine 8,50 die Stunde bekommen. Der macht ja nur seine Arbeit.
Jemand anderes leitet ein Bußgeldverfahren gegen einen Obdachlosen ein, weil der abends um 10, in einer Seitenstraße kurz an seinem Flachmann genippt und damit „in der Öffentlichkeit Alkohol konsumiert“ hat. Wenn er in dem Moment in die andere Richtung schauen würde, würde das bedeuten, dass jemand, der so weit am Boden ist, wie man es nur sein kann, eben nicht nochmal einen sprichwörtlichen Tritt ins Genick bekommt - aber vermutich könnte das zumindest theoretisch (!) bewirken, dass dem Ordnungsbeamten irgendein Disziplinarverfahren angehängt wird. Also: Der macht ja nur seine Arbeit.
Im oben genannten Fall hat anscheinend irgendein 18jähriges Mädchen als Sekretärin versucht, bei irgendwelchen Besprechungen mitzuschreiben. Wenn sie das nicht gemacht hätte, wären nicht weniger Menschen ermordet worden. Aber nun versucht man, 80 Jahre später, ihr deswegen irgendeine Verantwortung dafür zuzuschieben, dass Juden vergast wurden - echt jetzt? Natürlich wird da hochtrabend was gefaselt von „Täter zur Verantwortung ziehen, nicht vergessen, die Verbrechen ‚aufarbeiten‘“, bla bla. Aber: Es geht um eine 18jährige, die als Sekretärin gearbeitet hat.
Vermutlich wird nun ein gigantischer Aufwand betrieben (und am Besten noch 96jährige „Zeugen“ in den Gerichtssaal gekarrt), um da irgendein Urteil zu fällen (schnell, bevor sie tot ist). Gleichzeitig werden jugendliche Mehrfach-Gewalt-Straftäter nicht verurteilt, weil ~„die Gerichte so überlastet“ sind. Das ist pervers. Es geht nicht darum, ob eine 18jährige, die als Sekretärin gearbeitet hat, an irgendwas „mit Schuld“ ist. Genausogut könnte man anfangen, jemandem den Prozess zu machen, der damals als Bäcker-Lehrling gearbeitet hat, weil er ja einem KZ-Kommandanten Brötchen verkauft hat. Das ist ein Schauprozess. Und jeder, der dazu beigetragen hat, dass dieser Prozess stattfindet, hat meine tiefe, persönliche Verachtung verdient.