Philosophie der Informatik?

steht dann die Informatik ebenso in einem solchen schlechtem Licht, weil es fuer sie kein Nobelpreis gibt ?

Du weichst aus, weil du kein einziges Beispiel für ein „philosophisches Resultat“ hast :slight_smile:

Die Frage ist doch nicht so zu lesen, dass ich aus der Tatsache, dass es keinen Nobelpreis für Philosophie gibt, irgendwelche Aussagen über den Wert oder das Ansehen der Philosophie folgere. Ein Konjunktiv, der nur dazu dienen soll, die Leute dazu zu bringen, ein „preiswürdiges“ philosophisches Ergebnis zu benennen.

Sorry, aber lies dir sein Argument erstmal durch bevor du es generell ablehnst.

Wo ist der begriffliche Unterschied zwischen einem Axiomensystem u. einem Modell? Kurz gesagt: Es gibt keinen. Der Unterschied ist nur der, dass das Axiomensystem der Philosophen weniger gesetzt ist und dementsprechend werden diese Modelle öfter umgeworfen. Innermathematische Begriffe müssen noch lang keine unumstößliche Wahrheiten sein - auch wenn es davon deutlich mehr in der Mathematik gibt.

z.B. die Frage ob das was wir wahrnehmen das ist was man als Realität bezeichnet. Klare Antwort: Nein.

Der Punkt war ja nicht dass jede Wissenschaft für die es keinen Nobelpreis gibt wertlos ist, viel mehr wurde hier die wichtige Frage gestellt welche Durchbrüche u. Fortschritte es in der Philosophie gibt u. gab.

ich weiche nicht aus. Mich interessiert es nicht sonderlich ob nun Philosophie was schafft oder nicht, gut ist oder nicht, Menschenleben rettet oder nicht. Ich fand manche Beitraege von maki/Schlingel nur gut, ansonsten versteh ich nicht warum man sich generell ueber so was aufregen bzw reinsteigern kann.

Sollte ein ironischer Einwurf sein, der aber wahrscheinlich a) nicht witzig und b) weil aus dem Kontext gerissen auch nicht sinnvoll ist…

z.B. die Frage ob das was wir wahrnehmen das ist was man als Realität bezeichnet. Klare Antwort: Nein.

Wenn du das nicht als „Realität“ bezeichnest, als was dann? Kartoffelsalat?? Das ist doch reinstes Wortgeklingel ohne den geringsten Erkenntnisgewinn. Völliger Humbug. Ich behaupte: Ja, das was wir wahrnehmen ist als Realität zu bezeichnen! Jawoll.

Und wenn dir diese Antwort klar ist, dann heißt das ja, dass dir klar ist, was das Wort Realität überhaupt bedeutet! Ich muss meinen Haussolipsisten anrufen, dann können wir weitermachen.

Wo ist der begriffliche Unterschied zwischen einem Axiomensystem u. einem Modell? Kurz gesagt: Es gibt keinen. Der Unterschied ist nur der, dass das Axiomensystem der Philosophen weniger gesetzt ist und dementsprechend werden diese Modelle öfter umgeworfen. Innermathematische Begriffe müssen noch lang keine unumstößliche Wahrheiten sein - auch wenn es davon deutlich mehr in der Mathematik gibt.

Natürlich gibt es einen Unterschied. Sogar einen RIESIGEN.

Ein Axiomensystem in der Mathematik hat keinerlei Bezug zur Alltagswirklichkeit. Es steht für sich selbst und besteht im wesentlich nur aus Zeichenketten. Jeder Mathematiker weiß, dass Interpretationen (Zahl, Punkt,…) nur der Veranschaulichung dienen. Deshalb ist es auch möglich, formalisierte Beweise durch einen Computer prüfen zu lassen (es handelt sich um reines Symbolgeschubse). Natürlich arbeiten Mathematiker nicht so, die denken auch mal visuell oder an Zahlen.

Die Frage ob ein Axiomensystem richtig oder falsch ist gibt es einfach nicht. Die Frage ist nur, ob sich daraus eine interessante Theorie entwickeln lässt.

Wenn ich dagegen ein formales Modell eines schäbigen Puffs in der Bahnhofsgegend aufstellen soll: wie soll das gehen. Und selbst wenn es möglich ist, haben die logischen Schlussfolgerungen daraus wahrscheinlich keinerlei Bedeutung oder Wahrheitsgehalt.

Einfaches Gegenbeispiel: Du siehst andere Farben als ein Farbenblinder wenn du und er auf das selbe Plakat sehen - was ist denn nun tatsächlich die Realität?

Gibt’s mehr als eine Realität? Ja, tatsächlich. Für jeden Menschen eine und die kann durch mentale u. physische Zustände jederzeit geändert werden.

Das wurde lang formuliert bevor klar war, was da im Hirn passiert um die Daten der humanen Sensorik zu verarbeiten.

Ich messe weder dem einen noch dem anderen eine Bedeutung zu. Für mich sind das alles Systeme in denen Schlüsse gezogen werden. Diese Systeme selbst können auch widerlegt werden.

Na spätestens wenn man die reine Mathematik verlässt und in die Physik rüberlugt wird’s aber wieder interessant.

Kommt immer darauf an was du modellieren möchtest. Ob’s nun die Auslastung der Damen, die Risiken bei einer Evakuierung wegen Brandfalls ist, welche Auswirkungen hat das auf die Ehen in der Umgebung, oder ähnliches. Formalle Modelle mit Wahrheitsgehalt u. Bedeutung lassen sich da einige finden.

Da fällt mir noch die Feststellung ein, dass sich aus nicht normativ formulierten Wertesystemen keine Handlungsvorschriften ableiten lassen und dementsprechend eine Ethik ohne Regel zwangsläufig wertlos ist. Stammt ursprünglich - glaub ich - von Carl Gustav Jung.

Bin mir nicht sicher ob ich dich da richtig verstehe. Wäre hier die Wirtschaftswissenschaft mit den ziemlich kaputten Modellen der Mikroökonomie u. den funktionierenden Modelle der Makroökonomie ein Gegenbeispiel oder gilt das nicht weil’s alles auf nicht so stabilen Axiomensystemen steht wie in der Mathematik?

Treffen sich zwei Philosophen

A: Bist du real?

B: Was bedeutet „Bist“, was bedeutet „du“, was bedeutet „real“?

A: Was bedeuet „Was“, was bedeutet „bedeutet“?

An der Stelle können wir sie glaub ich alleine lassen. Wenn man das Wort „Realität“ nicht definiert, dann hat es auch keinen Sinn darüber zu reden (‚Wovon man nicht reden kann, darüber soll man schweigen‘)

Da fällt mir noch die Feststellung ein, dass sich aus nicht normativ formulierten Wertesystemen keine Handlungsvorschriften ableiten lassen und dementsprechend eine Ethik ohne Regel zwangsläufig wertlos ist. Stammt ursprünglich - glaub ich - von Carl Gustav Jung.

Oje. Jung war in meinen Augen ja ein Vollspasst, ein Verrückter. Zur Ethik wollte Wittgenstein (der übrigens alle philosophischen Fragen im Tractatus nach eigenen Angaben gelöst hat!) schon gar nichts mehr sagen: rennen an die Wände unserer Zelle.

Na spätestens wenn man die reine Mathematik verlässt und in die Physik rüberlugt wird’s aber wieder interessant.

Ja und, da ist es noch ein unglaublich weiter weg bis zur Philosophie. In der Mathematik hat man Beweise und inhärent bedeutungslose Axiome. In der Physik sind „Axiomensysteme“ gar nicht mal so verbreitet, und dort hat man etwas ähnlich gutes zur Verfügung: die Empirie, das Experiment. Man geht ins Labor, macht einen Versuch, wenn der nicht zum heißgeliebten „Modell“ passt schmeißt man es weg.

Ab was hat der Philosoph?

Ich messe weder dem einen noch dem anderen eine Bedeutung zu. Für mich sind das alles Systeme in denen Schlüsse gezogen werden. Diese Systeme selbst können auch widerlegt werden.

Ich denke mal du weißt gar nicht genau, wie weit die innermathematische Erforschung dieses Gegenstandes schon ist. Jedes axiomatische System, dass die Peano-Axiome enthält, kann prinzipiell nicht mehr widerlegt werden (Gödel). Man kann aber auch nicht beweisen, dass es vollständig und widerspruchsfrei ist. Da gibt es tiefe Tiefen von denen die Philosophie nur träumen kann.

Mathematische Axiomensysteme und irgendwelche halbformalen Modellierungen von Alltagsphänomenen (aka ‚die Realität‘) sind so extrem verschiedene Gegenstände des Denkens, da gibt es kaum Überschneidungen.

*** Edit ***

[QUOTE=schlingel]
Bin mir nicht sicher ob ich dich da richtig verstehe. Wäre hier die Wirtschaftswissenschaft mit den ziemlich kaputten Modellen der Mikroökonomie u. den funktionierenden Modelle der Makroökonomie ein Gegenbeispiel oder gilt das nicht weil’s alles auf nicht so stabilen Axiomensystemen steht wie in der Mathematik?[/QUOTE]

Wirtschaftswissenschaften - Die Baustelle machen wir lieber nicht auf…die haben so viele Probleme: Geschwafel, falsche Modelle, Meinungen als Wahrheiten (‚Keynesianist‘), nachträgliche Erklärungen, geringe Vorhersagekraft…

Nein. Es hat sich herausgestellt, dass man die Dinge „von unten“ betrachten muss ums sie wirklich zu verstehen. Die ganze Philosophie der Ontologie (eng umschrieben die Frage nach der Existenz von Dingen), ist wertlos geworden durch die Quantenmechanik. Gleiches gilt für das „Raumproblem“ und viele andere Disziplinen auf denen Philosophen heute nur noch arbeiten können, wenn sie die zugehörige Physik beherrschen. Philosophie handelt gerade von den Dingen, die man nicht wirklich versteht.

Das mag vielleicht deine Interpretation der Quantenmechanik sein, andere Interpretationen gibt es auch, siehe die instrumentalistische Position.

Warum? Weil Flugzeuge fliegen, Computer rechnen, Chirurgen operieren und der Fernseher flimmert! Mathematik, Physik und die Naturwissenschaften lösen ihre Probleme und kommen zu brauchbaren Zwischenergebnissen, das ist der Unterschied.

Ja, das tun sie. Allerdings widersprechen sich manche „Naturgesetze“ manchmal, Einsteins gekruemmter Raum ist wohl „richtiger“ als Newtons Mechanik, trotzdem funktioniert ein Ottomotor nur nach Newtons Mechanik.
Wie dem auch sei, einfach so auf einen anderen Wissenschaftsbereich herabzusehen und ihm den akademischen Rang aberkennen wollen braucht mehr als das vermissen von pragmatischen Ergebnissen bzw. fehlendes Verstaendnis derer, und darum ging es doch bei dieser ganzen Diskussionen, nicht um philosophische Konzepte, sondern um „nutzlose schwafelnde Philosophen“.

Hier die Aufgabe: Nenne ein einziges Beispiel für einen Fortschritt in der Philosophie. Ein einziges Beispiel für eine philosophische Fragestellung, die beantwortet wurde. Gäbe es einen Nobelpreis für Philosophie, wer sollte ihn bekommen und warum? Wenn man mit Thales anfängt, dann sind das jetzt mehr als 2500 Jahre Philosophie: was wurde bisher erreicht?

Das ist ein Problem fuer die Philosophie (und auch darueber wird gestritten).
Wenn man bewerten will ob es Forschritt gab oder nicht muss man ein Wertesystem anwenden, da die Philosophie u.a. aber Wertesysteme an sich untersucht, wie einigt man sich auf eines das fuer die Philosophie an sich gueltig ist?
Es gibt einen Nobelpreis fuer Frieden, den hat auch schon Obama und Arafat ueberm Kamin haengen… was genau sagt so ein Nobelpreis nochmal aus?

Das mag vielleicht deine Interpretation der Quantenmechanik sein,

Wieder mal total falsch verstanden. Was ich sagen will, ist dass praktisch alles von Philosophen vor 1900 geschriebene und philosophierte Zeugs durch die QM völlig wertlos wurde (unabhängig davon wie man die QM interpretiert). Es hat sich herausgestellt, dass die „Existenz eines Dings mit Eigenschaften“ in der Natur so völlig anders und seltsam implementiert ist, dass einfach kein Philosoph jemals auch nur im Traum daran gedacht hatte. Pech für die Philosophen.

Wie dem auch sei, einfach so auf einen anderen Wissenschaftsbereich herabzusehen und ihm den akademischen Rang aberkennen…

Philosoph != „An einer Universität sitzender und schreibender Philosoph“. Du hast doch selbst nicht die geringste Ahnung, was diese „Berufsphilosophen“ so treiben, publizieren und erforschen - oder doch? Meiner Meinung nach ist Philosophie KEINE Wissenschaft, sondern eine ziemlich sinnvolle Art und Weise seine Zeit als denkender Mensch zu verbringen (wenn man keine Lust auf Mathe hat). Eher so was wie Malerei oder Musik. Manches finde ich sehr attraktiv, anderes ist gequirlter Müll, es gibt da ganz verschiedene Ansichten. Das wesentliche an der Philosophie ist ja, dass es KEINE Ergebnisse gibt, dass es keine feste Methodologie gibt usw., der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit ist völlig verfehlt.

Auch die Arroganz, man würde als Philosoph anderen Disziplinen „helfen“ - absurd.

Wenn man bewerten will ob es Fortschritt gab oder nicht muss man ein Wertesystem anwenden, da die Philosophie u.a. aber Wertesysteme an sich untersucht,…

Dann können wir ja unsere Diskussion so lange beenden, bis die Philosophen ein Wertesystem gefunden haben, das die Frage nach dem Wert der Philosophie beantwortet. Das kann dauern.

Es ist natürlich völlig klar, dass Nicht-Philosophen da nicht mitreden dürfen und also keinerlei Aussagen über den Wert der Philosophie machen dürfen, wie praktisch.

z.B. Bewusstseinsforschung… Schaut euch die Zusammenarbeit wenigstens an bevor hier falsche Urteile gefällt werden.

Das hat ja niemand behauptet, aber man sollte sich doch zumindest ansehen was die Arbeiten hier vorlegen. Ich sehe auch nicht ein, warum z.B. die Werke Aristoteles (mit Ausnahme der Naturphilosophie) von der QM widerlegt wurden oder Kants Kritik der reinen Vernunft, oder etc.

Das ist doch Unsinn der nur den Hauch der Gültigkeit hat wenn man die Philosophie auf eine Art allgemeine Naturkunde zurückstutzt. Da fallen aber z.B. Ethik oder Erkenntnistheorie nicht darunter.

[QUOTE=schlingel]z.B. Bewusstseinsforschung… Schaut euch die Zusammenarbeit wenigstens an bevor hier falsche Urteile gefällt werden.
[/QUOTE]
Was soll ich denn konkret anschauen, was wär denn ein konkreter Input den die Philosophie für die Psychologie/Neurowissenschaft/AI-Informatik usw. gegeben hat? Auf Anhieb fallen mir nur Hirngespinste ein (Qualia, Dualismus, Searles Zimmer, Nagels Fledermaus, Chalmers Zombies,…) die so überhaupt keine sinnvolle konkrete Forschungsvorhaben befruchten können.

In dem Fall ging es darum Modelle zu finden wie man Bewusstsein definiert um diese Definition auf das neuronale Korrelat abzubilden. Dieses Modell kann dann z.B. von Neuroinformatikern aufgegriffen werden um solches Bewusstsein tatsächlich in eine KI zu gießen. Ich hab mir nur seine Einführungsvorlesung angehört, aber wenn es dich interessiert findest du vielleicht ein paar Publikationen von Thomas Metzinger.

Hat meiner Meinung nach kaum Erfolgsaussichten. Wenn wir je echte KI mit Bewußtsein haben, wird es “von unten”, über Sinneswahrnehmungen, Lernen, selbstorganisierendes Weltmodell, interne Simulationsläufe u.s.w. entstehen, nicht durch Implementierung von Regeln, die wir für Bewußstsein halten. Nicht dass dieser Gedanke sonderlich originell wäre: Hans Moravec hat das schon im letzten Jahrtausend festgestellt - als Konsequenz der Mißerfolge aller Versuche einer KI “von oben”.

Ja, in dem Punkt sind wir uns einig.

Allerdings darf man nicht vergessen, dass es in dem Fall darum geht die „richtigen“ neuronale Netzwerke zu finden um sie dann nachbauen zu können. Für die Neurologen ist das die unterste Ebene auf der man ansetzen kann. Die Annahme ist hier ganz klar die, dass der Mensch ein Automat ist und dass es daher einfacher ist als erstes die Hardware zu bestimmen bevor man beginnen kann das Modell auf andere Modelle zu reduzieren.

Ich — als ausgebildeter Softwareentwickler mit relativ viel Erfahrung und baldiger Philosophiestudent — möchte mich hier auch nochmal melden und einige Dinge klarstellen, die hier ziemlich schief gelaufen sind.

Ich mag vorher sagen, dass ich mich zwar extrem viel damit befasse, aber, wie jeder andere auch hier, nur ein Mensch bin und folglich Fehler machen kann. Ich bin bei Korrekturen gern bereit, sie anzunehmen und was daraus zu lernen, aber bitte mit Argumenten und ohne irgendwelche unbegründeten Thesen.

Also, erstmal finde ich es lustig, dass die Elfenbeinturmler der Informatik sich über die Elfenbeinturmler der Philosophie aufregen: aus der Sicht der Gesellschaft ist beides unnötig und beides “doch eigentlich ganz einfach”. “NP=P? Halteproblem? Programmieren ist ein einfaches Werkzeug, mehr nicht, alles, was getan werden kann, ist klar. Das ist keine Kunst” ist etwa die Ansicht der meisten Menschen aufs Programmieren.
Und ihr sagt aus dem Elfenbeinturm der Design Patterns und der ER-Modelle heraus, dass sich andere doch viel mehr in einem Elfenbeinturm befinden, irgendwie “gottgleich neutral” allem gegenüber sind und keine Berührungspunkte mit der Realität haben. Ich finds schade, dass selbst die, die von diesem Vorurteil betroffen sind, es selbst anwenden.

Genauso wie für nicht-Informatiker alles Programmieren ein Elfenbeinturm ist, ist für nicht-Philosophen vielleicht alles philosophieren ein Elfenbeinturm: aber der steht nur so lange, bis man das Konzept versteht.

Wer die mathematische Schönheit einiger Algorithmen von z.B. Knuth versteht, wird niemals mehr seine eigenen Programme mit den gleichen Augen sehen: ich spreche da aus Erfahrung.

Und wer einmal versteht, was Philosophie ist, kann sie genauso wenig jemals wieder mit den selben Augen sehen: der Elfenbeinturm ist keine Frage des Bewohners desselben, sondern der Beobachter, die sich mit dem Thema nicht auskennen.

Philosophie befasst sich nicht im geringsten mit irgendwelchen abstrakten Eigenschaften oder Problemen: das sind die Wissenschaften. Die Philosophie befasst sich einzig und allein mit den konkretesten Problem aller Probleme.
Das Problem ist, dass man diese erstmal als wirklich konkret erkennen muss. Und dazu muss man verstehen, was abstrakte Probleme eigentlich sind.

Abstraktion kommt von “abstractus”, das heißt: abgezogen. Wenn man etwas abstrahiert, zieht man alles nicht-relevante heraus und betrachtet das “Ding” als Ganzes, nicht die Details. Man macht Annahmen und versucht zu sehen, ob sie stimmen und ob man damit ein funktionierendes Modell aufbauen kann.

Dieses Modellieren-und-Ausprobieren ist Wissenschaft: Wissenschaft macht Annahmen, probiert sie und guckt, ob die Annahmen mit der Realität übereinstimmen oder nicht. Wenn sie das tun, heißt das nicht, dass das Modell richtig ist, es heißt nur, dass es nicht falsch ist (-> http://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus ).

Jede Wissenschaft macht Annahmen, die sie nicht überprüfen kann. So sagt z.B. ein Physiker, dass die Umwelt existiert und mit seinen Sinnen korreliert. Das ist eine für die Physik sinnvolle Annahme, keine Frage, ob sie aber wahr ist oder nicht, weiß er nicht und er kann es niemals herausfinden. Vielleicht existiert nur er selbst und bildet sich alles ein (-> Solipsismus), vielleicht existiert die Welt, aber er ist verrückt, vielleicht x, vielleicht y, …, vielleicht, um das bekannteste Beispiel zu nennen, leben wir aber auch in der Matrix.

Die Philosophie nimmt sich dieser Probleme an: sie fragt, welche Grundannahmen jemand trifft und überprüft, ob sie logisch haltbar sind.
Was meint z.B. ein Wissenschaftler, wenn er “Realität” meint? Meint er das, was er wahrnehmen kann? Bewegen sich also diese Räder tatsächlich?

Die Antwort lautet wohl “nein”: also ist Realität nicht, was wir wahrnehmen, denn unsere Wahrnehmung kann getäuscht werden.
Wenn unsere Wahrnehmung aber getäuscht werden kann: auf was können wir uns verlassen? Was hilft uns, sagen zu können, dass wir wirklich wahrnehmen, was ist?

Das ist eine Frage der Philosophie, die sich mit dem konkretesten aller Objekte befasst: der Realität selbst, die in allen Wissenschaften der Einfachheit halber wegabstrahiert wird, in dem man einfach irgendetwas annimmt, ohne dafür eine Begründung zu haben. Philosophie ist also die Wissenschaft, die die Grundlage aller anderen Wissenschaften überprüft.

Philosophie ist damit aber auch die Wissenschaft, die eigentlich Fragen stellt: wenn ein Physiker ein Phänomen beobachtet und es nicht erklären kann, stellt er sich die Frage: “Warum ist das so?” und “Wie funktioniert das?”. Das ist Philosophie!
Philosophie heißt übersetzt “Liebe zur Weisheit”. Weisheit ist ein gesichertes Wissen, eine überprüfte Überzeugung, die langen Tests in der Realität standgehalten hat: genau das will der Physiker.
Er stellt sich — philosophisch — die Frage, wie etwas funktioniert und abstrahiert: er nimmt an, dass seine Sinne mit der Realität korrelieren. Er nimmt an, dass er in der Realität existiert und dass die Realität existiert. Er nimmt außerdem an, dass die Realität beschreibbar ist durch Mathematik. Und mit diesen Annahmen (und noch mehr) macht er dann Physik und findet auf seine philosophische Frage mit einem der Werkzeuge der Philosophie: der Physik, eine wahrscheinliche Antwort.

Wenn Philosophie etwas “dummes” oder “zu abstraktes” (was es beides nicht ist) wäre, würde niemand mehr auf der Suche nach Weisheit irgendeine Frage stellen und ihr wäret alle Arbeitslos, weil niemand Informationen verarbeiten will: unser Beruf.

Die Philosophie ist ein wenig wie ein Baumarkt: ich habe das Ziel, einen Nagel in eine Wand zu bekommen. Ich gehe also in den Baumarkt und hole mir einen Hammer und einen Nagel. Dann gehe ich nach Hause, benutze Hammer und Nagel und erreiche das Ergebnis.

Das Ziel der Philosophie ist die Erkenntnis: Auf dem Weg zur Erkenntnis muss ich über die Philosophie (den Baumarkt) und mir die Werkzeuge zur Erkenntnis besorgen, die die Naturwissenschaft ist, die Thesen aufstellt und überprüft. Und nachdem die Naturwissenschaft die Thesen überprüft hat haben wir eine Theorie, die einen Sachverhalt realitätsnah erklären kann.

Alles, was ihr mögt (Naturwissenschaften z.B., euren Aussagen nach, aber auch die Informatik) ist nur ein Mittel der Philosophie zur Erkenntnis.

Dijkstra hat das mal toll gesagt: “Computer Science is no more about computers than astronomy is about telescopes”. Das Ziel der Informatik ist nicht, irgendwelche Computer zu bauen, sondern Informationen zu verarbeiten. Das Ziel der Physik ists nicht, irgendwelche Experimente zu machen, sondern standhafte und überprüfte Erklärungsansätze für die “mechanische Umwelt” zu geben. Das Ziel der Philosophie ist es nicht, irgendwie faul im Elfenbeinturm zu sitzen, sondern Erkenntnisse zu erreichen (und auf dem Weg dahin die gesamte Naturwissenschaft zu initialisieren).

Übrigens: Die Logik ist ein Werkzeug der reinen Philosophie. Mathematik war nur ein Abfallprodukt der Logik, folglich ein Abfallprodukt eines Werkzeuges der Philosophie. Wie mächtig und wichtig muss etwas sein, wenn aus ihm — ganz nebenbei und ohne aktives Zutun — die gesamte Mathematik (die Mutter aller Naturwissenschaften) entsteht?

Was ist außerdem das Problem daran, dass sich Menschen auf 2 Bereiche spezialisieren und sie verbinden? Die Informatik ist eine junge Wissenschaft, auf die einiges nicht anwendbar ist, was vorher anwendbar war. Früher konnten mathematische Modelle nicht 1:1 auf die Realität übertragen werden, weil es immer Messfehler usw. gab: heute IST die Informatik nichts weiter als ein mathematisches Modell. Da sind die alten Methoden der Erkenntnisgewinnung vielleicht nicht mehr zureichend, und wer weiß, ob vielleicht das P=NP-Problem durch eine logische Revolution doch gelöst wird, ihr Elfenbeinturmler die dieses Problem interessiert, weil dadurch eine Frage gestellt wird, die zu völlig neuen mathematischen Antworten führt? Was ist mit der ethischen Seite der Informatik, die soziale Verantwortung derer, die die Informationen kontrollieren? Was ist mit den Konsequenzen der Informationsassistenten? Was ist Realität und wie kann man diese in rein-logischen Modellen abbilden? …?

Die Liste der Fragen ist ewig, die Liste der Antworten kurz. Daher braucht man auch in der Informatik Philosophen.

[QUOTE=WerteUndNorman]
Dijkstra hat das mal toll gesagt: „Computer Science is no more about computers than astronomy is about telescopes“. Das Ziel der Informatik ist nicht, irgendwelche Computer zu bauen, sondern Informationen zu verarbeiten. Das Ziel der Physik ists nicht, irgendwelche Experimente zu machen, sondern standhafte und überprüfte Erklärungsansätze für die „mechanische Umwelt“ zu geben. Das Ziel der Philosophie ist es nicht, irgendwie faul im Elfenbeinturm zu sitzen, sondern Erkenntnisse zu erreichen (und auf dem Weg dahin die gesamte Naturwissenschaft zu initialisieren).[/quote]
Diese Erkenntnisse vermag die Philosophie aber anscheinend nicht zu formalisieren, was wohl der Hauptgrund dafür ist, dass drei Philosophen zu einem Thema fünf Meinungen haben. Wenn die Philosophie so logisch wäre, wie sie immer tut, müsste doch zumindest in ihrem „Kerngebiet“ ein allgemeiner Konsens herrschen - doch das tut er nicht. Das ist so, als ob in der Biologie seit Jahrhunderten Darwinisten, Kreationisten, Lamarckisten, Katastrophisten und Vertreter der Spontanzeugung parallel forschen würden, ohne dass sich eine oder zwei Hauptrichtungen durchsetzen. Deshalb frage ich mich, was mir als Informatiker eine philosophische Antwort bringen soll - sie ist so beliebig wie eine theologische (wo man sich nicht mal über das Wesen ihrer messianischen Kannibalen-Plätzchen einig ist).

Übrigens: Die Logik ist ein Werkzeug der reinen Philosophie. Mathematik war nur ein Abfallprodukt der Logik, folglich ein Abfallprodukt eines Werkzeuges der Philosophie. Wie mächtig und wichtig muss etwas sein, wenn aus ihm — ganz nebenbei und ohne aktives Zutun — die gesamte Mathematik (die Mutter aller Naturwissenschaften) entsteht?

Das ist eine kühne Behauptung, denn Artefakte mit klar mathematischer Natur gehen mindestens 20000 Jahre zurück. Die Mathematik entstammt ganz praktischen Quellen: Dem Zählen von Herden und Vorräten, der Landvermessung, Kalenderberechnungen u.s.w. Die alten Sumerer, Ägypter, Inder und Chinesen haben lange Mathematik betrieben, bevor sie an Logik, geschweige denn Philosophie auch nur gedacht haben.

Was ist außerdem das Problem daran, dass sich Menschen auf 2 Bereiche spezialisieren und sie verbinden? Die Informatik ist eine junge Wissenschaft, auf die einiges nicht anwendbar ist, was vorher anwendbar war. Früher konnten mathematische Modelle nicht 1:1 auf die Realität übertragen werden, weil es immer Messfehler usw. gab: heute IST die Informatik nichts weiter als ein mathematisches Modell. Da sind die alten Methoden der Erkenntnisgewinnung vielleicht nicht mehr zureichend, und wer weiß, ob vielleicht das P=NP-Problem durch eine logische Revolution doch gelöst wird, ihr Elfenbeinturmler die dieses Problem interessiert, weil dadurch eine Frage gestellt wird, die zu völlig neuen mathematischen Antworten führt?

Das Problem ist, dass meiner Meinung nach die Philosophie so gut wie nichts zur Informatik beitragen kann. Insbesondere weil ich die Wissenschaftlichkeit der philosophischen Methoden (mit der sie u.a. die Wissenschaftlichkeit der Methoden der Informatik kritisieren wollen) anzweifle.

Was ist mit der ethischen Seite der Informatik, die soziale Verantwortung derer, die die Informationen kontrollieren? Was ist mit den Konsequenzen der Informationsassistenten?

Wieso sollte die Philosophie auf diese ethische Frage eine klarere Antwort geben als bei vorherigen Problemen? Denkst du, dass Linus Torwalds Linux geschrieben und dass Edward Snowden ausgepackt hat, weil sie Popper und Wittgenstein gelesen haben? Wohl kaum. Trotzdem scheint, dass viele Informatiker in ihrer ethischen Entwicklung weiter sind als die meisten Politiker und Banker.

Was ist Realität und wie kann man diese in rein-logischen Modellen abbilden? …?

Das Internet ist Realtität. Autonome Roboter sind Realität. Oculus Rift ist Realität. Informatiker brauchen keine Philosophen, die ihnen erklären, was Realität ist, denn wir erschaffen sie gerade selbst. Realität ist Information, die auf ein Gehirn trifft.

" Diese Erkenntnisse vermag die Philosophie aber anscheinend nicht zu formalisieren, was wohl der Hauptgrund dafür ist, dass drei Philosophen zu einem Thema fünf Meinungen haben."
Das sagt man so einfach, das Problem ist, dass das nicht umbedingt so stimmt. Bei vielen Themen sind die allermeisten Philosophen sich relativ einig. Nur die Streitthemen stechen hervor. Und das tun sie solange, bis eine klare Lösung in Sicht ist. Kein Philosoph würde heute mehr Phlogiston postulieren: Warum auch?: es ist unnötig und stupide und wurde bereits widerlegt. Wenn du das heute postulierst, bist du morgen deinen Job als Philosoph los, wenn du es nicht sehr, sehr gut begründen kannst.

“Wenn die Philosophie so logisch wäre, wie sie immer tut, müsste doch zumindest in ihrem “Kerngebiet” ein allgemeiner Konsens herrschen - doch das tut er nicht.”
Einerseits stimmt das nicht für alle Themen. Aber für die Themen, bei denen es stimmt, hat das den Grund, dass niemand bisher eine eindeutige Antwort hat geben können. Kaum ein Philosoph heute zweifelt z.B. an Darwin, weil die Beweislast klar ist. Man zweifelt vielleicht daran, dass er existiert und daran, aber sofern er existiert und eine reale Umwelt beschrieben hat, hat er sie nach Ansicht der allermeisten Philosophen halbwegs korrekt beschrieben.

“Das ist so, als ob in der Biologie seit Jahrhunderten Darwinisten, Kreationisten, Lamarckisten, Katastrophisten und Vertreter der Spontanzeugung parallel forschen würden, ohne dass sich eine oder zwei Hauptrichtungen durchsetzen.”
Das Problem in der Philosophie ist eben auch, dass es — Im Gegensatz zur Biologie — keine eindeutigen Indizien geben kann, weil jedes Indiz wieder in Frage gestellt werden kann und muss. Die Philosophie kann sich auf Biologie berufen, aber sie sieht sie in keinem Fall als Beweis, sondern eben als Überzeugungs- und Argumentationsstütze.

“Deshalb frage ich mich, was mir als Informatiker eine philosophische Antwort bringen soll”
Lies bitte mal The Art of Computer Programming von Donald Knuth: das ist nicht mehr nur theoretische Algorithmik, sondern Informatik-Philosophie: und das ist nicht umsonst die beste Monographie des letzten Jahrhunderts.

“sie ist so beliebig wie eine theologische (wo man sich nicht mal über das Wesen ihrer messianischen Kannibalen-Plätzchen einig ist).”
Nein. Sie ist so gut, wie die Argumente, die sie stützen. Wenn ein Philosoph schwach argumentiert, wird er zerfleddert. Du lebst mit deinen Vorurteilen noch bei den Vorsokratikern.

“Das ist eine kühne Behauptung, denn Artefakte mit klar mathematischer Natur gehen mindestens 20000 Jahre zurück. Die Mathematik entstammt ganz praktischen Quellen: Dem Zählen von Herden und Vorräten, der Landvermessung, Kalenderberechnungen u.s.w. Die alten Sumerer, Ägypter, Inder und Chinesen haben lange Mathematik betrieben, bevor sie an Logik, geschweige denn Philosophie auch nur gedacht haben.”
Das ist von dir eine kühne Behauptung:

Auch die Philosophie hat praktische Bedeutung. Bitte lies meinen Text nochmal und verstehe, dass Philosophie eben nicht im Elfenbeinturm sitzt und nicht “einfach so drauf los macht”, sondern eben die konkretesten Probleme aller Menschen etwas angeht, die so konkret sind, dass man den “Balken im eigenen Auge nicht sieht”. Diese Menschen mögen an das Konzept von Logik — losgelöst von Mathematik — nicht gedacht haben, ja, aber sie hatten ein konkretes Problem und haben es mit logischen Verknüpfungen gelöst: das ist Logik. Und da sie etwas über den Aufbau der Realität wissen wollten, war es Philosophie.

“Das Problem ist, dass meiner Meinung nach die Philosophie so gut wie nichts zur Informatik beitragen kann. Insbesondere weil ich die Wissenschaftlichkeit der philosophischen Methoden (mit der sie u.a. die Wissenschaftlichkeit der Methoden der Informatik kritisieren wollen) anzweifle.”
Ich finde es irgendwie ironisch, wenn du von den “wissenschaftlichen Methoden” sprichst, als wären sie etwas von der Philosophie losgelöstes. Die Methoden der modernen Wissenschaft sind vom Philosophen Karl Popper entwickelt und scharf niedergeschrieben worden.

Die Philosophie agiert nicht mit dem, was du mit den Naturwissenschaften “beobachten” kannst, sondern mit der Frage, ob und was du mit den Naturwissenschaften beobachten kannst. Natürlich kann man da nicht mit den gleichen Methoden rangehen: wie sollte das auch gehen?

“Wieso sollte die Philosophie auf diese ethische Frage eine klarere Antwort geben als bei vorherigen Problemen?”
Weil sie zwingendermaßen neue Perspektiven reinbringt.

“Denkst du, dass Linus Torwalds Linux geschrieben und dass Edward Snowden ausgepackt hat, weil sie Popper und Wittgenstein gelesen haben?”
Interessant, dass du allein auf Popper und Wittgenstein referenzierst. Ich denke auf jeden Fall, dass Linus etwas aus den gesellschaftlichen Entwicklungen nach Russell und Locke mitgenommen hat. Ich denke auch, dass durch die Gedanken Machiavellis viele Staatssysteme erst heute möglich gewesen sind und dass durch viele andere Philosophen erst ein allgemeingültiges Schulsystem eingeführt wurde und dass erst durch die Gedanken von Montesquieu die Gewaltenteilung so eingeführt wurde, dass die Politik, die dafür verantwortlich ist, dass jemand wie Linus studieren kann, heute möglich ist.

Er mag selbst vielleicht nie einen Philosophen gelesen haben (seine Autobiographie ließt sich anders, aber das lassen wir mal außen vor): seine gesamte Geschichte wurde davon beeinflusst, dass andere einige Philosophen gelesen haben und von ihnen beeinflusst worden. Vielleicht hast du Recht und ein Philosoph, der sich in Informatik auskennt, erreicht für die Informatik nie etwas. Aber das Wissen aus der Informatik kann er problemlos einbringen in moderne Ideen über die Korrelation zur Gesellschaft oder zum Sein oder zur Klärung vom Bewusstsein oder oder oder, die on the long run gewaltige Vorteile für alle bieten.

Das ist nicht abzusehen. Aber mit dieser Argumentation kannst du auch alle theoretischen Mathematiker rausschmeißen, die just for fun etwas ausprobieren, ohne, dass es direkten, praktischen Nutzen hat, wo sich erst Jahre später ein praktischer Nutzen klar zeigt. Die Entwicklung der boolschen Logik war auch lange Zeit nicht wirklich wichtig, bis man plötzlich irgendwann Rechenmaschinen hatte und gesehen hat, wie gut man das benutzen kann.

“Wohl kaum. Trotzdem scheint, dass viele Informatiker in ihrer ethischen Entwicklung weiter sind als die meisten Politiker und Banker.”
Das ist eine ziemlich verallgemeinerte Behauptung. Es kann sein, dass in einer kleineren Menge mehr sind, die sich um ihre Rechte scheren (in dieser Filter-Bubble war ich auch lange). Aber daraus lässt sich verallgemeinert nichts aussagen. Zusätzlich ist ja noch zu sagen, dass Entwicklungen in der Philosophie durch Informatik eben nach außen getragen werden können und anderswo extrem nützlich sein können.

" Das Internet ist Realtität. Autonome Roboter sind Realität. Oculus Rift ist Realität. Informatiker brauchen keine Philosophen, die ihnen erklären, was Realität ist, denn wir erschaffen sie gerade selbst. Realität ist Information, die auf ein Gehirn trifft. "
Wie gesagt:


Die Räder drehen sich?

Deiner Argumentation nach ja. Aber du sagst wohl, obwohl dein Hirn es anders sieht, dass sie es nicht tun.

Und was ist mit Dingen, die noch auf kein Hirn getroffen sind? Was ist mit einem anderen Planeten, auf dem nie ein Mensch war? Ist er nicht real, weil bisher kein Photon durch irgendein Auge wahrgenommen und durch ein Gehirn interpretiert wurde?

Existiert der Planet erst, wenn wir ihn das erste Mal sehen?

Dann liefer doch bitte Fakten anstatt Meinung. Wenn man sich die Definition vom Elfenbeinturm durchliest, kommt man schnell zu folgenden Absätzen:

Und jetzt erzähl mir nicht, dass das nicht auf über 90% der aktuellen akademischen Philosophie zutrifft. Das gilt ja sogar für die Klassiker zu einem hohen Ausmaß, wie z.B. für die Kritiken von Kant.

So ein Schwachsinn.

  1. ist die Informatik nicht die Software-Branche.
  2. Lebt die Software-Branche davon immer wieder einen Zugang zu den Bedürfnissen und Gedanken der Benutzer zu finden um die entsprechende Software auch liefern zu können.

Das ist so schlecht argumentiert, dass es mich sogar ärgert obwohl ich hier 4 Seiten für die Notwendigkeit der Philosophie geschrieben habe.

Achja? So wie die Materialisten und die Idealisten? Was ist objektiv? Kann es so etwas geben? Je nach Richtung bzw. Philosoph wirst du da viele, viele Antworten finden können.

Die Philosophen werden sich darüber streiten. Der Astronom rechnet dir die Masse des Planeten und der umgebenden Galaxie aus. Hume war schon am richtigen Dampfer als er aufhörte alles generell in Frage zu stellen und meinte, man könne ruhig Arbeitshypothesen aufstellen. Die Deutsche Sprache liefert diese Arbeitshypothese sogar als eigenes Wort aus: Wirklichkeit. Alles was wirkt ist real.

Das sind sehr interessante Fragen. Doch du musst dir die selbe Frage gefallen lassen die mir @Landei schon vor 2 Seiten gestellt hat: Ist der Soziologe da nicht mit dem besseren Rüstzeug ausgestattet? Oder der Psychologe?

[QUOTE=WerteUndNorman]" Diese Erkenntnisse vermag die Philosophie aber anscheinend nicht zu formalisieren, was wohl der Hauptgrund dafür ist, dass drei Philosophen zu einem Thema fünf Meinungen haben."
Das sagt man so einfach, das Problem ist, dass das nicht umbedingt so stimmt. Bei vielen Themen sind die allermeisten Philosophen sich relativ einig. Nur die Streitthemen stechen hervor. Und das tun sie solange, bis eine klare Lösung in Sicht ist. Kein Philosoph würde heute mehr Phlogiston postulieren: Warum auch?: es ist unnötig und stupide und wurde bereits widerlegt. Wenn du das heute postulierst, bist du morgen deinen Job als Philosoph los, wenn du es nicht sehr, sehr gut begründen kannst.
[/quote]
Bei der Widerlegung waren die Philosophen aber keine besonders große Hilfe…

„Wenn die Philosophie so logisch wäre, wie sie immer tut, müsste doch zumindest in ihrem „Kerngebiet“ ein allgemeiner Konsens herrschen - doch das tut er nicht.“
Einerseits stimmt das nicht für alle Themen. Aber für die Themen, bei denen es stimmt, hat das den Grund, dass niemand bisher eine eindeutige Antwort hat geben können.

Und der Grund darin liegt hauptsächlich in der mangelnden Formalisierung. Als ob man in der Chemie nie Strukturformeln eingeführt hätte, als ob man in der Kristallographie keine Einteilung nach Symmetrien vorgenommen hätte, als ob man sich in der Geographie nie auf einen Nullmeridian geeinigt hätte.

„sie ist so beliebig wie eine theologische (wo man sich nicht mal über das Wesen ihrer messianischen Kannibalen-Plätzchen einig ist).“
Nein. Sie ist so gut, wie die Argumente, die sie stützen. Wenn ein Philosoph schwach argumentiert, wird er zerfleddert. Du lebst mit deinen Vorurteilen noch bei den Vorsokratikern.

„schwach“ ist nicht formalisiert.

„Das ist eine kühne Behauptung, denn Artefakte mit klar mathematischer Natur gehen mindestens 20000 Jahre zurück. Die Mathematik entstammt ganz praktischen Quellen: Dem Zählen von Herden und Vorräten, der Landvermessung, Kalenderberechnungen u.s.w. Die alten Sumerer, Ägypter, Inder und Chinesen haben lange Mathematik betrieben, bevor sie an Logik, geschweige denn Philosophie auch nur gedacht haben.“
Das ist von dir eine kühne Behauptung:

Auch die Philosophie hat praktische Bedeutung. Bitte lies meinen Text nochmal und verstehe, dass Philosophie eben nicht im Elfenbeinturm sitzt und nicht „einfach so drauf los macht“, sondern eben die konkretesten Probleme aller Menschen etwas angeht, die so konkret sind, dass man den „Balken im eigenen Auge nicht sieht“. Diese Menschen mögen an das Konzept von Logik — losgelöst von Mathematik — nicht gedacht haben, ja, aber sie hatten ein konkretes Problem und haben es mit logischen Verknüpfungen gelöst: das ist Logik. Und da sie etwas über den Aufbau der Realität wissen wollten, war es Philosophie.

Ich habe nur gesagt, dass die Mathematik bestimmt kein Abfallprodukt der Philosophie war, sondern älter und deutlich weiter entwickelt. Als man anfing, die Philosophie überhaupt als Fach zu begreifen und sich mühsam um eine erste Systematik in diesem Ideengewirr bemühte, war die Mathematik schon beim Konzept des **Beweises **angelangt.

„Das Problem ist, dass meiner Meinung nach die Philosophie so gut wie nichts zur Informatik beitragen kann. Insbesondere weil ich die Wissenschaftlichkeit der philosophischen Methoden (mit der sie u.a. die Wissenschaftlichkeit der Methoden der Informatik kritisieren wollen) anzweifle.“
Ich finde es irgendwie ironisch, wenn du von den „wissenschaftlichen Methoden“ sprichst, als wären sie etwas von der Philosophie losgelöstes. Die Methoden der modernen Wissenschaft sind vom Philosophen Karl Popper entwickelt und scharf niedergeschrieben worden.

Wissenschaftliche Methoden sind deutlich älter, und wurden von den Wissenschaftlern selbst eingeführt. Beweise finden sich bei Euklid, Experimente bei Galilei, wissenschaftlich ausgearbeitete Hypothesen bei Kepler, akribische Messreihen bei Brahe - und das ist nur die westliche Hälfte der Welt. Die erste bekannte medizinische Studie datiert auf das Jahr 1747, der Placeboeffekt ist seit dem 17. Jahrhundert bekannt.

Die Philosophie agiert nicht mit dem, was du mit den Naturwissenschaften „beobachten“ kannst, sondern mit der Frage, ob und was du mit den Naturwissenschaften beobachten kannst. Natürlich kann man da nicht mit den gleichen Methoden rangehen: wie sollte das auch gehen?

Dann handelt es sich auch nicht um eine Wissenschaft.

„Wieso sollte die Philosophie auf diese ethische Frage eine klarere Antwort geben als bei vorherigen Problemen?“
Weil sie zwingendermaßen neue Perspektiven reinbringt.

Neue Perspektiven kommen von überall her: Von Orwells „1984“, von Mandelas Lebenswerk, von Snowdens und Mannings Aktionen.

„Denkst du, dass Linus Torwalds Linux geschrieben und dass Edward Snowden ausgepackt hat, weil sie Popper und Wittgenstein gelesen haben?“
Interessant, dass du allein auf Popper und Wittgenstein referenzierst. Ich denke auf jeden Fall, dass Linus etwas aus den gesellschaftlichen Entwicklungen nach Russell und Locke mitgenommen hat. Ich denke auch, dass durch die Gedanken Machiavellis viele Staatssysteme erst heute möglich gewesen sind und dass durch viele andere Philosophen erst ein allgemeingültiges Schulsystem eingeführt wurde und dass erst durch die Gedanken von Montesquieu die Gewaltenteilung so eingeführt wurde, dass die Politik, die dafür verantwortlich ist, dass jemand wie Linus studieren kann, heute möglich ist.

Zweifellos, und andere Voraussetzungen dafür war die Zähmung von Haustieren, die Erfindung des Rads und die Ausbildung eines beweglichen Daumens.

Er mag selbst vielleicht nie einen Philosophen gelesen haben (seine Autobiographie ließt sich anders, aber das lassen wir mal außen vor): seine gesamte Geschichte wurde davon beeinflusst, dass andere einige Philosophen gelesen haben und von ihnen beeinflusst worden. Vielleicht hast du Recht und ein Philosoph, der sich in Informatik auskennt, erreicht für die Informatik nie etwas. Aber das Wissen aus der Informatik kann er problemlos einbringen in moderne Ideen über die Korrelation zur Gesellschaft oder zum Sein oder zur Klärung vom Bewusstsein oder oder oder, die on the long run gewaltige Vorteile für alle bieten.

Auch das schaffen Informatiker ganz gut allein, es gibt Computerlinguistik, Künstliche Intelligenz, Neuroinformatik und vieles mehr. Und auch soziologisch interessante Modelle, angefangen bei Tit for Tat bis hin zu komplexen Simulationen.

Das ist nicht abzusehen. Aber mit dieser Argumentation kannst du auch alle theoretischen Mathematiker rausschmeißen, die just for fun etwas ausprobieren, ohne, dass es direkten, praktischen Nutzen hat, wo sich erst Jahre später ein praktischer Nutzen klar zeigt. Die Entwicklung der boolschen Logik war auch lange Zeit nicht wirklich wichtig, bis man plötzlich irgendwann Rechenmaschinen hatte und gesehen hat, wie gut man das benutzen kann.

Die theoretischen Mathematiker haben theoretische Mathematik betrieben, und Biologen oder Geologen in Ruhe gelassen. Ich habe auch nichts dagegen, wenn Philosophen Philosophie betreiben, ich frage mich halt nur, was sie in der Informatik wollen.

„Wohl kaum. Trotzdem scheint, dass viele Informatiker in ihrer ethischen Entwicklung weiter sind als die meisten Politiker und Banker.“
Das ist eine ziemlich verallgemeinerte Behauptung. Es kann sein, dass in einer kleineren Menge mehr sind, die sich um ihre Rechte scheren (in dieser Filter-Bubble war ich auch lange). Aber daraus lässt sich verallgemeinert nichts aussagen. Zusätzlich ist ja noch zu sagen, dass Entwicklungen in der Philosophie durch Informatik eben nach außen getragen werden können und anderswo extrem nützlich sein können.

Erst mal sollten die Entwicklungen der **Informatik **durch die Informatik im nach außen getragen werden, das wäre schon einmal **extrem **nützlich, weil viel zu viel wichtige Erkenntnisse und Innovationen auf irgendwelchen Festplatten vergammeln. Und die Philosophen können das auch für die Philosophie tun, wenn sie das für nützlich halten. Oder brauchen sie Informatiker als „Übersetzer“, um sich verständlich machen zu können?

" Das Internet ist Realtität. Autonome Roboter sind Realität. Oculus Rift ist Realität. Informatiker brauchen keine Philosophen, die ihnen erklären, was Realität ist, denn wir erschaffen sie gerade selbst. Realität ist Information, die auf ein Gehirn trifft. "
Wie gesagt:

Die Räder drehen sich?

Die Räder der Abbildung meines Computerbildschirms in meinem Gehirn drehen sich, natürlich. Die Buchstaben in einem Aufsatz, der mir nachvollziehbar und wissenschaftlich erklärt, warum das so ist, drehen sich nicht. Ob der Aufsatz korrekt ist oder nicht, kann ich auf keine Weise verifizieren, ich kann ihn nur auf Konsistenz mit meinen übrigen Vorstellungen prüfen. Diese Grenze ist genauso fundamental wie trivial einsichtig, und ich kann nicht verstehen, wieso man daran jahrtausendelang herumpuzzelt.

Und was ist mit Dingen, die noch auf kein Hirn getroffen sind? Was ist mit einem anderen Planeten, auf dem nie ein Mensch war? Ist er nicht real, weil bisher kein Photon durch irgendein Auge wahrgenommen und durch ein Gehirn interpretiert wurde?

Existiert der Planet erst, wenn wir ihn das erste Mal sehen?

Das alte Zen-Rätsel, wieder modern geworden mit einer halbgaren Auffassung von Quantenphysik, und auch hier ist die Antwort klar: Die Existenz ohne einen Bobachter ist das, was mit unseren Erfahrungswerten am meisten korreliert, aber wieder ist eine wirklich sichere Antwort nicht möglich. Ich brauche auch keine Photonen, um etwas wahrzunehmen. Ich kann auch momentan halluzinieren oder träumen. Dieser Standpunkt ist genauso legitim wie unproduktiv, und ich hoffe doch wirklich, dass die Philosophie über solche Kindereien inzwischen hinaus ist. Und **wenn **wir in dieser Richtung Fortschritte zu erwarten haben (was ganz sicher nicht der Fall sein muss), werden sie sehr wahrscheinlich aus der Richtung der Neurologie oder Quantenphysik kommen, und bestimmt nicht aus Richtung der Philosophie, die daran schon dreitausend Jahre erfolglos herumdoktert.

Die Diskussion ist zwar … nun, „interessant“ oder „unterhaltsam“, aber ich glaube, nicht viel mehr inhaltlich dazu beitragen zu können, als das, was ich schon gesagt habe, und das, was (in viel elaborierterer Form, als ich das hätte tun können) schon gesagt wurde.

[QUOTE=WerteUndNorman]Die Räder drehen sich?

Deiner Argumentation nach ja. Aber du sagst wohl, obwohl dein Hirn es anders sieht, dass sie es nicht tun.[/QUOTE]

Das sind keine Räder, sondern … naja, sowas wie Pixel auf einem Bildschirm … analog zu

oder auch

:smiley:

Man kann alles immer weiter hinterfragen. Dein Einleitungspost mit der Anmaßung, Dinge „klarstellen“ zu wollen, und durchsetzt mit Begriffsdefinitionen, die aus mehreren Begriffen bestehen, die streng genommen selbst wieder einer Definition bedürfen, ist ein klassisches Beispiel für das, was einige vielleicht an negativem mit „Philosophie“ verbinden („herumphilosophieren“, im Sinne von „händewedelnd rumlabern und sich in Wortklaubereien verstricken“ (das ist NICHT genau das, was ich dazu sagen würde, sondern nur, was einige damit zu verbinden scheinen)). Sich mit einem Problem zu beschäftigen (egal, wie konkret es nun ist), heißt nicht, dass man auch eine Lösung liefern wird. Dass z.B. die Mathematik sich bestimmten Formen des Hinterfragens entzieht, indem sie sich „eine eigene Welt“ schafft, in der alles so ist, wie es ist, und das, was man nicht klar definieren kann, schlicht weggelassen wird, kann man kritisieren, aber der Nutzen, der aus dieser Methodik gezogen wird, sollte ersichtlicher sein, als der Nutzen der Beantwortung der Frage, ob man Philosophie denn betreiben kann, ohne die Kunst des Lernens zu beherrschen. Hm. Was heißt „Mathematik“ denn eigentlich, wenn man es wörtlich übersetzt? Wie auch immer, bin mal gespannt, wann dieser Thread als [Gelöst] markiert wird :smiley: